Mit seiner Meinung zum Thema Hygiene war Semmelweis seiner Zeit offenbar weit voraus. Bei seinen Ärztekollegen stieß der streitbare Arzt aus Ungarn aber auf teils heftigen Widerstand. Während er zu Lebzeiten Spott, Hohn und Verachtung für seine Theorien erntete, sind sie für uns heute selbstverständlich.
Semmelweis wurde 1818 im ungarischen Buda geboren. An der Universität Wien promovierte er 1844 zum Dr. med. und machte anschließend eine Ausbildung im Bereich Gynäkologie und Geburtshilfe. Seine Karriere begann 1846 als Assistent an der I. Gebärklinik im Wiener Allgemeinen Krankenhaus.
Hohe Sterblichkeit und Kindbettfieber
Im Europa des 19. Jahrhunderts war das Kindbettfieber ein großes Problem in den Geburtsanstalten, dem man ratlos gegenüberstand. Die Experten jener Zeit machten unter anderem die schlechte Luft in den Städten dafür verantwortlich. Andere sprachen von Stoffen, die nach der Geburt zu gären beginnen würden. Eine Lösung schien aber nicht in Sicht.
Um neue Erkenntnisse zu erlangen, beauftragten die Ärzte Rokitansky und Kolletschka Semmelweis, die Leichen verstorbener Wöchnerinnen zu untersuchen. Dem jungen Arzt fiel dabei etwas bemerkenswertes auf: Die Sterblichkeit war an der Station, an der Ärzte ausgebildet wurden signifikant höher als an der Geburtsstation, an der nur Hebammen arbeiteten.
Wenig später erkrankte der Arzt Kolletschka und zeigte die gleichen Symptome, wie die Frauen, die an Kindbettfieber litten. Er hatte sich kurz davor beim Sezieren einer Leiche mit dem Skalpell verletzt. Semmelweis erkannte als einziger seiner Zeit den Zusammenhang: Es handelte sich offenbar um eine von außen übertragene Wundinfektion.
Hygiene als Lösung des Problems
Obwohl zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war, dass eine Sepsis durch Bakterien hervorgerufen werden kann, sah Semmelweis eine Verbindung zwischen der Verletzung und der Krankheit: Die Ärzte kamen mit Leichen in Berührung und übertrugen – aufgrund mangelnder Hygiene – gefährliche Keime auf ihre Patienten, die später das Kindbettfieber auslösten.
Verbesserte Hygiene sollte die Situation verbessern. Durch die verpflichtende Händedesinfektion mit Chlorkalklösung gelang es Semmelweils, die Fälle von Kindbettfieber am Wiener Allgemeinen Krankenhaus dramatisch zu reduzieren. Was für uns heute selbstverständlich klingt, war damals hingegen eine bahnbrechende Erkenntnis, die bei vielen seiner Kollegen auf Skepsis stieß.
Semmelweis setzte sich mit Nachdruck für die Händedesinfektion ein. So versuchte er vehement, Kollegen und Studenten von der Bedeutung der Hygiene zu überzeugen und so die Sterblichkeitsrate auch in anderen Krankenanstalten zu senken. Für seine Theorie fand Semmelweis nur wenige Unterstützer. Die meisten seiner Kollegen standen Sauberkeit und Hygiene ablehnend gegenüber und betrachteten sie als Zeitverschwendung.
Kritik und Ablehnung
Quellen beschreiben die von Semmelweis empfohlene Desinfektion als unangenehme Prozedur. Ärzte und Schwestern sollten ihre Hände für mindestens fünf Minuten in eine Chlorkalk-Lösung halten. Zwar sorgte dieses Verfahren für eine keimfreie Haut, doch die aggressive Lösung war schlecht für die Haut.
Ein viel schwerwiegenderer Punkt war der Standesdünkel der Ärzte. Von Bakterien und Keimen wusste man zu der Zeit noch nichts und so schien es einfacher, Semmelweis’ Theorie abzulehnen, anstatt sich Fehler einzugestehen. Es konnte schließlich nicht sein, dass die heilenden Händen eines Arztes den Tod bringen.
Viele Ärzte und Studenten hielten die von Semmelweis geforderte Sauberkeit nach wie vor für unnötig und lehnten sie ab. Die Kritik an Semmelweis wurde immer lauter. Seine Theorie sollte nun von der „k. k. Gesellschaft der Ärzte“ überprüft werden. Professor Klein, ein Gegner Semmelweis’, nutzte seine Kontakte und erreichte, dass die Überprüfung ministeriell abgelehnt wurde.
Rückkehr nach Budapest und Tod
Nach weiteren Intrigen entschied sich Semmelweis, nach Budapest zurückzukehren. In Pest eröffnete er eine Privatpraxis und arbeitete zusätzlich am St.-Rochus-Spital. Seine Erkenntnisse hielt er in seinem 500-seitigen Buch „Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers“ fest. Nach wie vor hatte Semmelweis nur wenige Unterstützer und so wurde sein Werk kein großer Erfolg.
1865 soll Semmelweis an einer schweren Depression erkrankt sein und wurde in die „Landesirrenanstalt Döbling bei Wien“ eingeliefert. Manchen Quellen zufolge handelte es sich bei der Einlieferung von Semmelweis um eine weitere Intrige gegen ihn. Nach zwei Wochen in der Anstalt verstarb Semmelweis. Bis heute konnten die genauen Umstände seines Todes nicht eindeutig geklärt werden.
In den Anstaltsdokumenten wird eine Gehirnlähmung als Todesursache angegeben. Eine spätere Untersuchung zeigte allerdings Frakturen an Brustkorb sowie an Händen und Armen. Die Bedeutung seiner Erkenntnisse wurde von der damaligen Ärzteschaft lange nicht erkannt. 1867 begann der schottische Chirurg Joseph Lister damit, die Operationsflächen mit Karbol zu desinfizieren und senkte dadurch die Sterblichkeit bei Operationen erheblich.
Erst als Robert Koch 1878 zeigte, dass Wundinfektionen und Blutvergiftungen auf Bakterien zurückzuführen sind, begann man langsam die Bedeutung der Arbeit Semmelweis’ zu verstehen und zu würdigen.